«Transnationales Meeting» in Bozen

Vom 20. bis 21. Mai 2019 fand das «Transnationales Meeting» in Bozen statt.

In einer Umfrage ging der Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister der Frage auf den Grund, welche Faktoren vor, während und nach der Lehre ausschlaggebend für eine erfolgreiche Ausbildung sind. Heute wurden die Ergebnisse im NOI Techpark präsentiert.

Die duale Ausbildung hat im deutschsprachigen Raum eine langjährige Tradition. Das praxisorientierte System stellt nach wie vor ein Erfolgsmodell dar, das theoretische Wissen mit praktischem Erproben bestens verbindet. „Durch den starken Einfluss der Digitalisierung verändert und modernisiert sich allerdings das Konzept Ausbildung und die einzelnen Berufsbilder“, erklärte lvh-Präsident Martin Haller in seiner Begrüßung. Entsprechend gelte es auf diese Veränderungen zu reagieren, aber auch auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Unternehmen und der Auszubildenden einzugehen. Eine kurze Einführung in die Ausbildungsbetriebe und deren Bedürfnisse gab der Schweizer Rémy Müller. Welches die Gelingesfaktoren aus der Sicht eines Ausbildungsleiters sind, stellte der Lichtensteiner Remo Kluser vor.

Sechs Hypothesen unter der Lupe

Im Rahmen des Erasmus+ Projektes „Gelingensfaktoren in der Berufsausbildung“ hat der lvh zusammen mit drei Partnern aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz eine Befragungsstudie ausgearbeitet. Ziel der Initiative war es, diese Erfolgsfaktoren grenzüberschreitend zu erörtern und die duale Ausbildung durch die Kooperation zu stärken. „Für das Projekt wurden je zwei Hypothesen für vor der Lehre, während der Lehre und nach der Lehre aufgestellt. Zielgruppe der Befragung waren Ausbildner, Jugendliche und Eltern. Ziel war es zu verstehen, ob die jeweiligen Thesen bestätigt oder widerlegt werden können“, erklärte Mirko Cutrì, Projektleiter der Befragung für Südtirol und Mitarbeiter im lvh.

Hypothese Nummer Eins stellte die Frage, ob die Anstellung einem strukturierten Selektionsprozess des Ausbildungsbetriebs folge. Diese These konnte laut Umfrageergebnissen mehrheitlich bestätigt werden. Großen Wert legen die Ausbildner auf ein persönliches Kennenlernen der Jugendlichen.
Die zweite These vor der Lehre, welche die Unterstützung bei der Auswahl von Lernenden betrifft, trifft in Südtirol nur teilweise zu. Nur ein Teil der befragten Unternehmen nehmen bei der Rekrutierung von Lehrlingen externe Hilfe in Form von Rekrutierungs-Profis in Anspruch, die eine Vorselektion für potentielle Kandidaten vornehmen.

Was die Hypothesen während der Lehre angeht, konnte folgendes festgestellt werden: Auch in Südtirol erhöht die Unterstützung in schulischen Belangen einerseits die Ausbildungsbereitschaft der KMU und lässt andererseits die Erfolgschancen der Jugendlichen steigen. So teilten einige Unternehmen mit, dass vor allem im Bereich Rechnen, Berufskunde aber auch Allgemeinbildung durchaus Unterstützung erforderlich sei. Die zweite These bezieht sich auf die notwendige Unterstützung einer externen Person, im Falle der Auflösung eines Lehrverhältnisses. Grundsätzlich hängt der Ausbildungserfolg eines Lehrlings von seiner Motivation und dem Lernwillen ab. Das Thema „Eingliederung von Lehrlingen in das Team“ ist bei den Unternehmen jedoch ein großes Anliegen. Insofern konnten auch die Hypothesen während der Lehre bestätigt werden.

Die zwei Hypothesen nach der Lehre betreffen die Schulung der Auftrittskompetenz und Kommunikation sowie das Interesse der Betriebe an einer Weiteranstellung. „Auch diese Thesen konnten beide bestätigt werden, da das Thema Ausbildung vom Großteil der Betriebe als Investition und als Maßnahme für den Fachkräftemangel gesehen wird“, unterstrich Cutrì.

Das Image der Lehre

Im Rahmen der Befragung wurden Eltern und Jugendlichen auch Fragen zum eigenen Orientierungsbedarf und zum Thema Berufsbildung und Zukunftsperspektiven in Südtirol gestellt. Ziel dieser Befragung war die Ermittlung von Faktoren, die die Ausbildungsauswahl nach der Mittelschule beeinflussen. „Dabei sollte bewertet werden, inwiefern eine praktische Ausbildung über den berufsbildenden Weg für Eltern und ihre Kinder in Frage kommt und welche Stärken und Interessen die Jugendlichen dabei mitbringen“, erklärte Verbandspräsident Martin Haller.

Interessant an den Ergebnissen der Studie ist vor allem die Tatsache, dass Eltern und Kinder dazu nicht immer eine einheitliche Meinung vertreten. Jugendliche scheinen zum Thema „praktisches Erlernen eines Berufes“ einen durchaus unbekümmerten Ansatz zu haben. Wo die berufsbildenden Ausbildungen immer noch das Nachsehen haben, ist in der Wahrnehmung ihrer wahren Wertigkeit und im Image.

Das Fazit des Verbandspräsidenten Haller zur Veranstaltung: „Wenn es uns gelingt, die Berufsbildung auch grenzüberschreitend zu stärken sowie die Betriebe bei der Einstellung und Ausbildung von Lehrlingen zu unterstützen, ist der Nutzen für alle groß: KMU erhalten Fachkräfte und Jugendliche eine vielversprechende Perspektive.“

Teilnehmende

  • Dr. Tina Widmann | die chance Agentur Salzburg
  • Constanze Hellmann | die chance Agentur Salzburg
  • Ivan Schurte | Wirtschaftskammer Liechtenstein
  • Rémy Müller | BildungsNetz Zug
  • Remo Kluser | Projektmanager
  • Jean-Pierre Dällenbach | DIE CHANCE, Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz
  • Mirko Cutrì | Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister Bozen
  • Ivo Müller | ivomedia, Steinhausen

«Multiplikatoren-Veranstaltung» in Zug

Gelingensfaktoren in der Berufsbildung

Am 19. und 20. November 2018 fand – mehrheitlich in den Räumlichkeiten des IBZ an der Landys+Gyrstrasse 1 in Zug – die vom Bildungsnetz Zug (Rémy Müller) organisierte und durchgeführte Tagung «Gelingensfaktoren in der Berufsbildung» statt. Anwesend waren Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, der Zuger Regierungsrat Matthias Michel, Beat Schuler, Amtsleiter des Amtes für Berufsbildung Zug, Tony Erb vom SECO, Vertreter/innen aus Liechtenstein, Österreich, Italien, diverse Akteure aus dem Berufsbildungsbereich, Coaches und Berater sowie Unternehmer/innen bzw. deren Vertreter/innen.

Rémy Müller begrüsst die rund vierzig Anwesenden. Valentin Vogt eröffnet die Konferenz mit seinem «Stärkung des Werkplatzes Schweiz / Berufsbildung». Valentin Vogt ist Unternehmer in Winterthur und ist gleichzeitig zu rund 50% ehrenamtlich als Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes tätig. Er hat ein enormes Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge und Abläufe. So erfahren wir etwa, dass rund 90 Verbände, die rund 100’000 Unternehmungen vertreten, Mitglieder des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes sind.

Laut Valentin Vogt ist die Schweiz im internationalen Vergleich top. Unser Land erfreut sich eines überdurchschnittlichen Wohlstandes und das Verhältnis zwischen arm und reich ist besser denn je. Er stellt allerdings in wirtschaftlicher Hinsicht eine gewisse Wachstumsmüdigkeit fest. Im Weiteren geht er auf die Frauenerwerbsquote ein, auf unser Berufsbildungssystem (hohe Durchlässigkeit), die Sozialpartnerschaft (praktisch keine Streiks), die Schweiz als Teil von Europa, die demografische Entwicklung der Schweiz und deren Folgen oder unser Gesundheitswesen.

Der zweite Referent ist Matthias Michel, Vorsteher des Zuger Volkswirtschaftsdepartementes. Sein Thema: «Die Stärken des Bildungs- und Werkplatzes Zug». Von ihm erfahren wir unter anderem, dass der Kanton Zug etwa gleich viele Einwohner wie Arbeitsplätze hat, nämlich rund 125’000. Er weist auch darauf hin, dass es wichtig ist, dass Fachkräfte aus dem EU-Raum wie auch Nicht-EU- Raum (kontingentiert) zu uns kommen. Auch lobt er unser Bildungssystem – das grosse Angebot, die Durchlässigkeit, inklusive die Möglichkeiten, die für Menschen mit speziellem Förderbedarf oder für Immigrierte bestehen.

Weiter geht es mit Beat Schuler, Leiter des Amtes für Berufsbildung. Er spricht zu uns zum Thema
«Bildungssystem Schweiz». Hier einige Rosinen aus seinem Referat:

Unser hervorragendes Bildungssystem ist ein entscheidender Faktor bei der Eingliederung der Jungen in den Arbeitsmarkt. Sehr positiv sind die grosse Durchlässigkeit (keine Sackgasse) oder der Tertiärbereich. In der Schweiz gibt es zurzeit pro Jahr rund 100’000 Schulabgänger – 2/3 davon machen eine Lehre; es gibt aber rund 100’000 Lehrstellen. Auf der Tertiärstufe gibt es Höhere Fachschulen, Fachhochschulen, Unis, die ETH. Diese sollen nicht gemischt werden. Blick in die Zukunft: Herausforderungen verbundspartnerschaftlich angehen, lebenslanges Lernen, Flexibilisierung der Bildungsangebote. Zentrale Bedeutung: die Digitalisierung.

Als nächstes stellt Rémy Müller das Bildungsnetz – BNZ – vor.

Hier ein paar Schlaglichter dazu:

Ein sehr wichtiger Gelingensfaktor im Kanton Zug ist die gute Kooperation von Volkswirtschaftsdirektion und Direktion für Bildung und Kultur. Die Volkswirtschaftsdirektion ist durch eine Public Private Partnership mit dem BNZ verbunden. Das BNZ ist durch seine Mitgliedschaft bei Check Your Chance (nationale Dachorganisation gegen Jugendarbeitslosigkeit) auch schweizweit vernetzt. Die jüngste Kooperation ist das BNZ mit Liechtenstein, Österreich und Italien eingegangen. Die sechs Hypothesen aus dem Buch «Ausbildungsbetriebe und ihre Bedürfnisse in der Berufsbildung» bilden die Grundlage für das Erasmus+-Projekt «Gelingensfaktoren in der Berufsbildung».

Das BNZ gehört zum Volkswirtschaftsdepartement. Es setzt sich aus dem Lehrbetriebsverbund, dem Case Management, der Fachkundigen individuellen Begleitung sowie zusätzlichen Dienstleistungen zusammen (letztere kosten).

Das BNZ ist für Jugendliche da, die im Zusammenhang mit der beruflichen Grundbildung Begleitung benötigen. Es unterstützt die Jugendlichen beim Erreichen eines erfolgreichen Lehrabschlusses.

Mehrere clever gemachte Videos zum BNZ, zu seiner Arbeit illustrieren das Gehörte gekonnt.

Nach der Pause beginnt Rémy Müller mit der Präsentation der sechs Hypothesen, die er in seinem Buch «Ausbildungsbetriebe und ihre Bedürfnisse in der Berufsbildung» publiziert hat – je zwei Hypothesen zu vor, während und nach der Lehre. Er formulierte die Hypothesen, nachdem er sich intensiv mit wissenschaftlicher Literatur befasst und sich mit Fachleuten ausgetauscht hatte; zudem flossen seine zahlreichen eigenen Erfahrungen mit ein. Daraus entstanden 28 Fragen, die von 78 KMUs beantwortet wurden.

Im Plenum ergaben sich im Verlauf des Referats immer wieder interessante, bereichernde Diskussionen, ausgehend von verschiedenen im Vortrag angesprochenen Themen oder Fakten.

Hypothese 1 (gekürzt): «Die Anstellung folgt einem strukturierten Selektionsprozess des Ausbildungsbetriebes.»

Diese Hypothese 1 wurde bestätigt. Die folgenden zwei in diesem Zusammenhang gestellten Fragen wurden von einer Mehrheit zustimmend beantwortet:

«Die Vorselektion durch eine Fachperson erleichtert mir die Auswahl.»

«Gezielte Information der Eltern erhöht die Chance auf einen erfolgreichen Start.»

Hypothese 2 (gekürzt): «Der Ausbildungsbetrieb trifft bei der Selektion der/des Lernenden mit externer Unterstützung einen fundierten Entscheid.»

Die Hypothese wurde bestätigt.

Eine grosse Mehrheit stimmte auch den folgenden beiden Aussagen zu:

«Bei Vergabe des Lehrvertrags spielt für mich das Kennenlernen der Eltern eine Rolle.»

«Der/die künftige Lernende muss mir trotz Lehrvertrag das Schulabschluss-Zeugnis zeigen.»

Hypothese 3: «Eine Unterstützung in schulischen Belangen erhöht einerseits die Ausbildungsbereitschaft der KMU und lässt andererseits die Erfolgschancen der Jugendlichen steigen.»

Die Mehrheit stimmte zu, dass dies ein wesentlicher Erfolgsgarant ist.

Starke Zustimmung erhielten zudem die folgenden drei Aussagen:

«Nach dem Einführungsseminar möchte ich vom Coach eine Einschätzung des Lernenden erhalten.»

«Die Eltern müssen informiert werden, wie mit Fehlern, Versäumnissen und Konflikten umzugehen ist (‹Eltern-Handbuch›).»

«Falls die Eltern fehlen oder ihre Aufgabe nicht wahrnehmen können, besteht das Bedürfnis nach einer Ansprechperson des Jugendlichen wie z. B. ein Coach.»

Hypothese 4 (gekürzt): «Bei Schwierigkeiten wird der Ausbildungserfolg durch externe Unterstützung sichergestellt.»

Auch diese Hypothese wurde bestätigt.

Die ganz grosse Mehrheit der Befragten wünschte sich ein frühzeitiges Erkennen und Thematisieren von schulischen Schwierigkeiten mittels geeigneter Massnahmen.

Im weitern bejahte eine grosse Mehrheit die folgende Frage:

«Soll bei komplexen Schwierigkeiten eine schnelle und professionelle Hilfe für Sie als Ausbildner/- in verfügbar sein, welche Sie in der Fortführung der Ausbildung unterstützt?»

Hypothese 5 (gekürzt): «Durch Schulung der Auftrittskompetenz wird die Fortsetzung der Laufbahn erfolgreicher.»

Die Hypothese 5 wurde ebenfalls bestätigt.

Auf die Frage, in welchem Fach oder Bereich die Lernenden Unterstützung benötigen, wurde mit Abstand am häufigsten Berufskunde, gefolgt von Sozialkompetenzen genannt.

Hypothese 6 (gekürzt): «Eine Stelle und Weiterbildung nach erfolgreicher Ausbildung sind Ziele für alle Beteiligten.»

Wie die fünf andern Hypothesen wurde auch diese sechste bestätigt. Starke Zustimmung erhielten die folgenden zwei Fragen:

«Unterstützen Sie die Lernenden nach erfolgreichem Abschluss beim Einstieg in den Arbeitsmarkt?»

«Sollen die Eltern über die Entwicklungsmöglichkeiten (z. B. EBA/EFZ und weiterführende Schulen) informiert werden?»

Neben dem Theoretischen kam auch die Praxis nicht zu kurz. Alle Anwesenden durften nämlich zum Abschluss der Tagung den Hauptsitz und die Produktion der Bäckerei – Konditorei – Confiserie von Rotz an der Sinserstrasse 124 in Cham besuchen. Dieses KMU ist ein Lehrbetrieb und gleichzeitig ein Ausbildungsbetrieb des BNZ. Wir erhielten perfekte Einblicke in die verschiedenen Bereiche: Traiteur, Konditorei oder die Bäckerei. Und wir wurden zum definitiven Abschluss wunderbar verwöhnt: kulinarisch und mit Patisserie vom Feinsten – Chapeau. Herzlichen Dank!

Die Theorie der Gelingensfaktoren ist durch die gezeigten Videos sehr geschickt visualisiert worden. Diese können heruntergeladen werden unter: www.gelingensfaktoren-berufsbildung.com.

Die Multiplikatoren-Veranstaltung Zug war durchs Band ein voller Erfolg!

Beat Schuler, Rémy Müller, Matthias Michel und Valentin Vogt

Alle Teilnehmende vom Multiplikatoren-Veranstaltung Zug: Gelingensfaktoren in der Berufsbildung

Projektgruppe: Jean-Pierre Dällenbach DIE CHANCE Stiftung Ostschweiz, Mirko Cutri Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister Bozen, Rémy Müller BildungsNetz Zug, Ivan Schurte Wirtschaftskammer Liechtenstein 100pro! berufsbildung liechtenstein, Tina Widmann Die chance Agentur gGmbH Salzburg, Constanze Hellmann Die chance Agentur gGmbH Salzburg